6. Juni - Sehbehindertentag

Der 06.06. ist der bundesweite "Tag der Sehbehinderten".
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1998 1999

Wie alles begann...

Quelle: "visus"  (Zeitschrift des BFS e.V.) Ausgabe: 1/1998

Sehbehinderten-Aktionstage: 05.und 06.06.1998 in Bonn


Sehbehindert - und doch ein Ziel vor Augen

Lea Heuser interviewt die Koordinatorin der Sehbehinderten-Aktionstage, Frau Heike Patten

visus: Frau Patten, Sie sind unseren Lesern als Vorsitzende des Bundes zur Förderung Sehbehinderter (BFS e. V.) bekannt. Die Leser der einschlägigen Mitteilungsblätter der Sehbehinderten- und Blindenszene konnten in diesen Wochen bereits Vorankündigungen für die Sehbehinderten-Aktionstage vom 5. bis 6. Juni 1998 in Bonn lesen. Es gibt den Tag des weißen Stocks und den des Buschwindröschens, warum jetzt Sehbehinderten-Aktionstage?

Patten: Die Idee, Sehbehinderten-Aktions­tage zu veranstalten, gab es schon vor meiner Wahl zur 1. Vorsitzenden des BFS e. V. im vergangenen Jahr. Der Landesverband Nordrhein­-Westfalen hat diese Idee geboren. Viele Mitglieder haben sich ihre eigenen Gedanken über den Sinn und Zweck solcher Aktionstage gemacht und die Notwendigkeit einer solchen Aktion gesehen. Meine Meinung ist, daß in der Öffentlichkeit, außerhalb der Sehbehinderten- und Blindenszene, ein enormer Informationsbedarf über Sehbehinderung besteht. Viele Menschen wissen gar nicht, daß es eine Grauzone zwischen Sehen und Blindheit gibt. Wir ernten deshalb ständig Unverständnis. Viele von uns haben sicher schon zu hören bekommen: "Passen Sie doch auf" oder "Setz doch deine Brille auf". Sicher werden die Aktionstage daran zunächst einmal nicht viel ändern. Sie werden aber ein Stück Öffentlichkeitsarbeit für Sehbehinderte sein. Es gilt, politisch Verantwortliche und eine breite Öffentlichkeit auf unsere Belange in geeigneter Weise aufmerksam zu machen und Verständnis zu wecken.

Die Aktionstage verstehe ich als bundesweite Kontaktbörse für Betroffene und die Möglichkeit zum Dialog mit Sehenden. Meine Botschaft für die Aktionstage ist: "Sehbehinderung schränkt nur das Sehvermögen ein. Wir sind leistungsfähig, wenn wir eine Möglichkeit bekommen, dies zu zeigen".

visus: Wer veranstaltet die Sehbehinderten­Aktionstage und welche Programmpunkte wird es geben?

Patten: Der Deutsche Blindenverband (DBV e.V.), der Deutsche Verein Blinder und Sehbehinderter in Studium und Beruf (DVBS e. V.) und Pro Retina Deutschland (PRD e. V.) veranstalten gemeinsam mit dem BFS e. V. die Aktionstage. Die Aktion Grundgesetz bietet anläßlich des dritten Jahrestages der Novellierung des Artikels 3, Abs. 3, GG den Rahmen der Veranstaltung. Einige Programmpunkte möchte ich genauer beschreiben: Im Vorfeld der Aktionstage findet die EURO-Tandem-Tour von Berlin nach Bonn statt. Interessenten sollten sich die Zeit vom 31. Mai bis 5. Juni 1998 merken und sich bei Herrn Schwerger melden (Kontaktadresse siehe unten). Es haben sich bereits Teilnehmer aus Belgien, Frankreich, Luxemburg, der Schweiz und Deutschland angemeldet. Einzelfahrer sind willkommen, Teilstrecken mitzufahren ist kein Problem.

Die Sternfahrt der Politiker ist ein weiterer Programmpunkt. Politiker und Journalisten werden eingeladen, mit Betroffenen gemeinsam zu den Aktionstagen zu reisen. In Bonn angekommen, sollen sie mit Simulationsbrillen zu ihrem Arbeitsplatz finden und dort, sehbehindert durch die Simulationsbrille, eine berufsübliche Tätigkeit verrichten. Es ist geplant, daß die Politiker auf ihrem Weg von Mobilitätstrainern, der Presse und Interessenten begleitet werden. Anschließend findet ein Erfahrungsaustausch dieser "Betroffenen" in einem Gesprächskreis statt. Es wird Vorträge und Diskussionsrunden zu den Themen Arbeit, Rehabilitation und Rente, Orientierungshilfsmittel für Sehbehinderte und Blinde, Mobilität und lebenspraktische Fertigkeiten geben. Am 5. Juni sorgt ein bunter Abend für entsprechenden Spaß, und am 6. Juni findet eine Kundgebung in der Bonner Innenstadt statt.

visus: Frau Patten, welche Rolle spielen Sie bei der Durchführung und Organisation der Aktionstage?

Patten: Von den vier beteiligten Verbänden wurde ein gemeinsames Koordinationsteam gebildet, dem je eine Verbandsvertreterin bzw. - vertreter angehört, diesem Team gehöre auch ich an. Von den Verbänden wurde ich beauftragt, die Aktivitäten zu koordinieren und für die Umsetzung der Planung zu sorgen. Bisher sind bei mir soviel gute Anregungen und Ideen eingetroffen, daß deren Umsetzung mindestens eine Sehbehinderten- Aktionswoche erfordern würde.

visus: Gibt es Prominente, die diese Aktionstage unterstützen?

Patten: Die Bundestagspräsidentin Frau Prof. Dr. Süssmuth hat freundlicherweise die Schirmherrschaft der Aktionstage übernommen und uns das "Wasserwerk", das ehemalige Parlament, zur Verfügung gestellt. Die Schirmherrschaft der EURO-Tandem Tour hat der Präsident des Europäischen Parlaments übernommen.

visus: Wie wurden die Aktionstage von den Bonner Politikern aufgenommen?

Patten:  Bisher durchweg sehr positiv. Bereits die direkte Zusage der Bundestagspräsidentin, die Schirmherrschaft über die Aktionstage zu übernehmen, zeigt die Bereitschaft der politisch Verantwortlichen, sich mit dem Thema Sehbe­hinderung zu beschäftigen. Herr Armin Laschet (MdB) aus dem Aachener Wahlkreis konnte vom Verein zur Förderung Sehbehinderter in Aachen für die Sternfahrt und die sich anschließende Arbeitsplatzsuche mit simulierter Sehbehinderung gewonnen werden. Bis zum April, wenn visus erscheint, rechne ich mit weiteren Zusagen.

visus: Haben Sie konkrete Forderungen und Appelle an die Politiker in Bonn und Berlin?

Patten: Vertreter der vier Verbände arbeiten zur Zeit einen gemeinsamen Forderungskatalog aus. Diese Gemeinsamkeit ist wichtig, der Bürger hat vermutlich wenig Verständnis für die verschiedenen Forderungen der einzelnen Verbände. Klar ist, daß wir eine konkrete Umsetzung des Artikels 3, Abs. 3 des Grundgesetzes fordern. Die Appelle werden konkret und sachlich sein. Zentrale Themen sind: Arbeit, Rente, Ausbildung, Mobilität und die Gestaltung des öffentlichen Verkehrsraums, das Zusammenle­ben von Sehbehinderten und Sehenden, Zugang zu den neuen Medien ... Wichtig ist es, nicht nur Appelle zu formulieren, sondern Lösungswege aufzuzeigen.

visus: Wie können sich die Mitglieder der Sehbehindertenverbände an den Aktionen beteiligen und welche Aktionen empfehlen Sie den Regionalvereinen und Einzelmitgliedern?

Patten: Die einfachste, unterhaltsamste und wirksamste Form der Unterstützung ist der Besuch der Sehbehinderten-Aktionstage. Verdeutlichen Sie sich, daß es ca. 1,5 Millionen Sehbehinderte in Deutschland gibt. An diesen Tagen erhalten diese Sehbehinderten die Möglichkeit, sich der Öffentlichkeit mitzuteilen. Durch ihr Erscheinen oder Nichterscheinen wer den sie zeigen, ob die Belange der Sehbehinder­ten tatsächlich Beachtung verdienen, oder ob es sich um eine Randerscheinung in unserer Gesellschaft handelt, die nur einige wenige betrifft. Alle Mitglieder der Sehbehindertenselbsthilfe und alle nicht organisierten Sehbehinderten haben die Möglichkeit, ihren Anliegen den nötigen Grad an Beachtung zu verschaffen. Sie können sicher sein, daß die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit der Teilnahmebereitschaft der Sehbehinderten an den Aktionstagen und der Tandem Tour entsprechen wird.

Die Aktiven in den Regionalvereinen und Ortsgruppen der Verbände möchte ich bitten, alles zu tun, um die Anreise der Interessierten zu vereinfachen. Eine organisierte Zug- oder Busfahrt zu den Aktionstagen gehört zu diesen Maßnahmen. Es können auch einzelne Programmpunkte gezielt besucht werden. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Für günstige Übernachtungsmöglichkeiten wird gesorgt werden. Soweit es noch nicht geschehen ist, möchte ich die Ortsvereine auffordern, zu ihren Bundestagsabgeordneten Kontakt aufzunehmen. Sie müssen direkt von den potentiellen Wählern zur Sternfahrt eingeladen werden. Wer ihre Frau oder ihr Mann im Wahlkreis ist und wie sie erreichbar sind, kann bei mir angefragt werden. Kontakte zur Presse sind für die Aktion wichtig. Entsprechende Presseerklärungen können bei mir angefordert werden und als Muster dienen, um die eigenen lokalen Aktivitäten, wie z. B. die Sternfahrt mit einem Politiker, in der regionalen Presse anzukündigen.

visus: Woher kommen die nötigen finanziellen Mittel? Gibt es schon bedeutende Sponsoren?

Patten: Die Sehbehinderten-Aktionstage finden im Rahmen der Aktion Grundgesetz statt. Die anfallenden Sachkosten werden von der Aktion Sorgenkind bezuschußt. Es verbleibt aber noch eine beträchtliche Finanzierungslücke. Für diesen Betrag suchen wir einen oder mehrere Sponsoren. Wir versuchen, den unmittelbaren Finanzbedarf so gering wie möglich zu halten, indem wir Firmen bitten, uns Dienstleistungen entweder vergünstigt oder unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Ein Beispiel ist die Deutsche Bahn AG, bei der die kostenlose An- und Abreise mit den Tandems nach Berlin angefragt wurde. Hier hoffen wir auf eine positive Entscheidung. Besonders bedanken möchte ich mich bei den Orts- und Landesverbänden des BFS e. V. Durch die großzügige Bereitschaft, die Anschubfinanzierung für die Aktionstage sicherzustellen, wurde eine Teilnahme des Bundesverbandes erst möglich.

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visus: Frau Patten, wir danken Ihnen für diese Gespräch.

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